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Ausgabe: 15/2016    Blickpunkte

Schnäppchen sind nicht immer günstiger
Für weniger Geld oft noch weniger Leistung


sup.- Schnäppchenjäger sind eine Spezies mit eindeutigen Verhaltensmustern. Immer auf der Lauer nach Billig-Angeboten, wittern sie mit sicherer Spürnase die Rabatt-Aktionen in Supermärkten, Discountern und Einkaufszentren. Und weil die Händler dies wissen, sind die unübersehbaren Prozentangaben für die Preisnachlässe regelmäßiger Bestandteil von Anzeigen, Prospekten und anderen Werbemaßnahmen. Viel Leistung für wenig Geld, so lautet das erklärte Ziel der Schnäppchen-Konsumenten, mit dem sie durchaus im Trend liegen. Nach Beobachtungen der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main ist in Deutschland derzeit „ein sehr ausgeprägtes Preis-bewusstsein gepaart mit einer hohen Erwartungshaltung an die Qualität der Waren anzutreffen“. Mit anderen Worten: Preise nach unten, Leistung nach oben. Dass diese favorisierte Tendenz der beiden Kaufkriterien ihre natürlichen Grenzen hat, stellen die Kunden oft erst mit Verspätung fest. Denn bei den besonders billigen Angeboten ist kaum bewährte Markenqualität zu erwarten, sondern es handelt sich eher um No-Name-Produkte, Auslaufmodelle, Eigenmarken oder auch um Importe fragwürdiger Herkunft. Wenn sich aber schon bald beispielsweise Materialien und Verarbeitung als wenig belastbar erweisen, wenn Verschleiß die Nutzbarkeit sabotiert oder die mangelnde Verfügbarkeit von Ersatzteilen eine Reparatur verhindert – dann stellen sich die vermeintlichen Schnäppchen letztlich als vergleichsweise kostspielige Einkaufsvariante heraus. Dass vielen Verbrauchern offensichtlich das Verständnis für den Zusammenhang von Qualität und Preis fehlt, daran ist auch das Bundeskartellamt nicht ganz unschuldig. Diese Behörde bemüht sich nämlich nach Kräften, die Unterschiede zwischen Markenware und Discount-Angeboten unkenntlich zu machen. Ob Schokolade oder Wurstprodukte, ob Bier oder Heizenergie: Hersteller oder Vertreiber von Markenprodukten, die in ihrer Preisgestaltung vom Niveau der billigsten Distributionsvariante abweichen, werden von den Wettbewerbshütern schnell eines Kartellrechtsverstoßes verdächtigt. „Wer eine derart auf den Preis fokussierte Sicht vertritt, der kann unmöglich verstehen, dass beispielsweise die Preise eines serviceorientierten Anbieters, also der Preis für ein Produkt plus Dienstleistungen, nicht mit dem reinen Produktpreis eines anderen Anbieters, der keine Zusatzleistungen erbringt, verglichen werden können“, schreibt der Wirtschaftspublizist Detlef Brendel, Autor des Fachbuchs „Wirtschaft im Würgegriff / Wie das Kartellamt Unternehmen blockiert“ (Campus Verlag, ISBN 978-3-593-50150-5). Als Beispiele für solche preisrelevanten Leistungen nennt er z. B. hochwertige Rohstoffe, strenge Qualitätskontrollen, einen reibungslosen Reparatur- und Austauschservice, erreichbare Kunden-Hotlines sowie eine hohe Beratungskompetenz im belieferten Fachhandel. Das Preisniveau im unübersichtlichen „Disountry“ der Rabatte und Sonderangebote kann für die Markenprodukte keine Richtschnur sein. Über diese Hintergründe aufzuklären, wäre für eine Behörde wie das Kartellamt die wesentlich sinnvollere Aufgabe als eine Bevormundung der Hersteller wie Verbraucher. Konsumenten möchten nämlich manchmal mehr als Schnäppchen und sind dafür auch bereit, einen angemessenen Preis zu zahlen.
Foto: Fotolia / Robert Kneschke (No. 5599)